Aufschwimmen und Abtransport der Costa Concordia

Arbeiten an der Costa Concordia © www.theparbucklingproject.com

Arbeiten an der Costa Concordia © www.theparbucklingproject.com

Die Arbeiten zum Abtransport  der „Costa Concordia“ vor der italienischen Insel Giglio gehen zweieinhalb Jahre nach dem Unglück in die letzte Phase.

30 Schwimmkästen wurden auf beiden Seiten des Wracks angebracht. Diese enthalten noch Wasser, das sukzessive rausgepumpt und mit so viel Luft ersetzt wird, dass genügend Auftrieb entsteht, um das Schiff nach oben zu schwemmen. Einmal aufgeschwemmt, wird sich das Schiff ca. 17 Meter unter Wasser befinden.

Das Aufschwimmen wird langsam ausgeführt. Jede Bewegung der Costa Concordia wird beobachtet, so dass sichergestellt werden kann, dass alle Kräfte, die auf das Schiff wirken, gleichmäßig und ruhig am Schiffskörper verteilt werden. Eine hochmoderne Software und Sensoren auf beiden Seiten des Schiffs übermitteln ständig Informationen an das Rettungsteam, welches das Verhalten des Schiffskörpers in Echtzeit auswerten kann und mögliche Anpassungen vornehmen kann.

Das Aufschwimmen ist vollständig, sobald die größtmögliche Menge Wasser aus den Schwimmkästen herausgepumpt wurde und das Schiff sich quasi parallel zum Meeresspiegel befindet, die optimale Lage und Stabilität, um das Schiff abzuschleppen. Dieser sensible Arbeitsgang wird ca. sechs bis sieben Tage dauern, bis die Costa Concordia zu ihrem Bestimmungshafen zum Rückbau und Recycling geschleppt werden kann.

Es gibt zwei Größen der Schwimmkästen – kurze und lange: die kurzen sind vertikal, während die langen zum Teil vertikal und horizontal angebracht wurden. Sie besitzen auch unterschiedlich viele innere Abteilungen, zwei in den kurzen und drei in den lagen. Zwei von den drei Abteilungen können in den vertikal angebrachten Kästen mit Wasser gefüllt werden, die dritte bleibt leer oberhalb des Meeresspiegels und stabilisiert das Wrack, wenn es von der Plattform losgelöst wird.

Die Wahl der zwei separat flutbaren Abteilungen für alle langen und vertikalen Schwimmkästen garantiert ein effektives Ballasthandling und dadurch eine bessere Kontrolle der Schiffsbewegungen. Bei den langen und horizontalen Schwimmkästen werden alle drei internen Abteilungen simultan entleert werden.

Die Schwimmkästen wurden unterschiedlich angebracht: elf der 15 Caissons auf der Backbordseite wurden vor dem Parbuckling auf den Schiffskörper geschweißt. Die 15 Schwimmkästen auf der Steuerbordseite und die letzten vier auf der Meeresseite wurden Anfang April dieses Jahres in Position gebracht, als die Costa Concordia aufrecht stand und die aufgetauchten Seiten zugänglich waren.

Phasen des Aufschwimmens

Phase 1: Teilweises Aufschwimmen und Bewegung des Wracks ostwärts

Zu Beginn des Einsatzes ruht das Wrack auf den Plattformen und unechtem Meeresboden in einer Tiefe von 31 Metern. Am ersten Tag wird der Schiffskörper ca. zwei Meter von den Plattformen hochgehoben und mit Hilfe von Schleppern ca. 30 Metern in östliche Richtung bewegt werden. Es wird angenommen, dass dieses Anfangsstadium zwischen sechs bis acht Stunden dauern wird. In dieser Zeit ist es empfehlenswert, dass alle örtlichen Schiffsaktivitäten rund um das Wrack eingestellt werden. Am Ende der ersten Phase wird das Schiff sicher festgemacht mit zwei Serien von Ankerachtern (anchors aft) und sechs Stahlkabeln, welche an den Türmen 1, 9 und 12 (waren schon beim Parbuckling im Einsatz) zur Küstenseite festgemacht sind. Es wird auch durch zwei Schlepper auf der Offshore Seite und einem dritten am Bug der Costa Concordia in Position gehalten.

Phase 2: Anbringen und Spannen der Ketten und Kabel sowie finale Positionierung der Schwimmkästen auf Steuerbordseite

Diese Phase wird ca. 2 Tage dauern und das Anbringen der letzten vier Ketten und sieben Kabel an den Steuerbord Schwimmkästen S18, S12, S4 und das Spannen der Ketten an den Steuerbord Schwimmkästen S3, S4, S12, S14, S18 umfassen. Zusätzlich werden 13 der insgesamt 15 Steuerbord Kästen auf ihre finale Position „heruntergelassen“. Diese war aufgrund der Beeinträchtigung durch den Meeresboden zuvor unzugänglich.

Phase 3: Eigentliches Aufschwimmen

In dieser Phase beginnt das eigentliche Aufschwimmen. Die Bergungsexperten werden schrittweise komprimierte Luft in die 30 Schwimmkästen pumpen, um das darin enthaltene Wasser zu verdrängen. Die Caissons werden Schritt für Schritt entleert, was das Schiff Deck für Deck hebt, angefangen von Deck 6 bis Deck 3. Die finale Aufschwimmposition wird erreicht sein, wenn Deck 3 schließlich wieder auftaucht. Phase 3 wird voraussichtlich 3 Tage andauern: Sobald die Decks langsam über dem Meeresspiegel erscheinen, wird das Wasser entleert und alle erforderlichen Kontrollen durchgeführt. Das Wrack wird mit einer leichten Neigung Richtung Backbord und Heck aufgeschwommen, um das Wasser ablaufen lassen zu können. Am Ende dieser Phase wird der Rumpf etwa 14 Meter über dem Meeresspiegel im Vergleich zur Ausgangsposition auftauchen.

Phase 4: Finale Manöver und Abfahrt des Schiffs von der Insel

In Phase 4 werden alle notwendigen Kontrollen und Manöver durchgeführt, die es dem Konvoi (die Costa Concordia und die Schlepperbooten) erlauben, die Abfahrtsposition von der Insel Giglio einzunehmen, mit dem Bug Richtung Osten. Zwei Schlepper werden von der Backbordseite ziehen, zwei Hilfsschlepper werden am Schiffsrumpf eingesetzt, einer an jeder Seite. Während dieser Phase, die etwas 4 Stunden andauert, wird es notwendig sein, den weiteren Hafenverkehr einzuschränken, um garantieren zu können, dass der Konvoi das Gebiet sicher verlassen kann.

Sobald sich das Wrack über Wasser befindet, wird es (inklusive aller angebrachten Schwimmkästen) voraussichtlich folgende Gesamtgröße haben:

Gesamtlänge: 289,6 Meter
Größte Breite inkl. Kästen: ca. 62,5 Meter
Maximaler Tiefgang (inkl. Ketten unter dem Rumpf): 18,5 Meter

Im Anschluss an das Aufschwimmen wird das Wrack gemäß aller Bedingungen aus dem Genehmigungsprozess zum finalen Abschlepphafen Genua Voltri abgeschleppt.

Der Kontrollraum

Der Aufschwimmvorgang wird vom Remote Operations Center (ROC) durchgeführt. Im Inneren dieses Kontrollraums auf der Costa Concordia befinden sich alle Kontroll- und Überwachungssysteme, um den Ballast in den Schwimmkästen handhaben und die Schiffsstabilität, Schiffsform sowie die Verteilung der auf den Schiffskörper einwirkenden Kräfte garantieren zu können. Hierzu werden die Bergungsexperten ein speziell entworfenes Softwareprogramm nutzen. Das ROC-Team wird die Fortschritte des Vorgangs sowie die Ballastmenge in jeder einzelnen Abteilung des Schwimmkastens dank der in den Caissons befestigten Sensoren und dem Einsatz von Videokameras in Echtzeit überwachen.

Senior Salvage Master Nick Sloane und die anderen ROC-Team Mitglieder (Ingenieure und Techniker, die das Projekt mitentwickelt und auch die bisherigen Arbeitsschritte betreut haben) werden die geplanten Aufschwimmvorgänge durchführen.

Sondereinsatzgruppen bestehend aus spezialisierten Technikern stehen abrufbereit einzugreifen und notwendige Anpassungen an den Systemen, der Ausstattung und den Maschinen, die während des Vorgangs genutzt werden, vorzunehmen.

Schutz der Umwelt während des Aufschwimmens

Im Einvernehmen mit den Behörden wurde basierend auf einer sorgfältigen Risikoanalyse ein umfassender Umweltüberwachungs-Plan zur Anwendung während der gesamten Aufschwimmarbeiten entwickelt.

Zu den untersuchten Kenngrößeren gehören die Dynamik der Wassermassen, die Richtung und Intensität der Strömungen und die physikalischen Eigenschaften des Wassers (Temperatur, Salzgehalt, Trübung etc.). Auch einige Tage nach Abschluss des Aufschwimmens werden weiterhin Stichproben genommen und die Qualität des Wassers untersucht. Geplant ist außerdem eine Untersuchung der Unterwassergeräusche, während Walbeobachter nach Meeressäugetieren in der Nähe des Einsatzgebietes Ausschau halten.

Im Rahmen der Vorbereitungen auf das Aufschwimmen wurden risikomindernde Maßnahmen hinsichtlich des Wassers aus dem Inneren des Wracks umgesetzt. Dies beinhaltet das Umpumpen von 2.400 Kubikmetern Wasser auf das Festland, um es dort zu behandeln.

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