Steingräber im Watt

© Sylt Marketing GmbH

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Auf Sylt werden bei Ebbe regelmäßig Steingräber im Watt freigelegt. Da sie aus der Stein- und Bronzezeit stammen und der Meeresspiegel damals tiefer lag als heute, sind viele im Meer versunken.

Dramatische Himmelsbilder über dem Watt vor Archsum: tiefblau, fast schwarz türmen sich vom Wind zerrissene Wolkentürme auf, dazwischen leuchtet der Himmel. Wie irre Theaterspots jagen Lichtfinger über das dunkle Watt; dort wo sie den Meeresboden treffen, glänzt er auf wie geschmolzenes Silber. Eine große Bühne und sonderbare Steine stehen darauf, angeordnet wie ein verworfenes Oval; als die Sonne sie erfasst werfen sie lange Schatten. Martin Lange geht den Deich hinunter, unmittelbar an der Wasserkante steht dieses mysteriöse Denkmal. „Komm“, sagt der Hobby-Archäologe, „wenn wir uns das noch ansehen wollen, müssen wir uns beeilen – das Meer wartet nicht.“ Dann wird das Grab aus der Steinzeit wieder untergehen. Dies sind die von der Nordsee umgeworfenen Reste zweier rund 5000 Jahre alter Megalithanlagen, Monumente aus der Jungsteinzeit. „Kaum eine Gegend in Deutschland hat so viele Stein- und Bronzezeitgräber wie die nordfriesischen Inseln“, erklärt Lange, der eigentlich Hausmeister ist. „Und allein auf Sylt gab es fast 600 dieser Grabhügel und Megalithbauten, ein großer Teil dieser Hünengräber ist leider im Laufe der Zeit zerstört worden oder im Meer versunken. Vor 5000 Jahren bestatteten die Menschen ihre Verstorbenen in solchen Steinsetzungen und Anlagen, zuletzt schaufelten vor tausend Jahren die Wikinger ihre Grabhügel auf.“ Knapp hundert solcher Zeugnisse haben den Lauf der Zeit überlebt und stehen vornehmlich im Dreieck Morsum – Tinnum – Kampen. Und Martin Lange kennt sie fast alle.

„Schon während der Jungsteinzeit – also 4000 bis 2000 Jahre vor Christi Geburt – war Sylt im Raum Kampen/Keitum vermutlich dauerhaft besiedelt. Damals begannen die Jäger und Sammler allmählich sesshaft zu werden“, erklärt Lange beim Blick auf die „Archsumer Riesenbetten“, an die die Wellen längst leise klatschen. „Damals entstanden auch die mächtigen Großsteingräber. Weil die Menschen auf der Geest, also den höheren Gebieten der Insel, siedelten, sind auch dort die meisten Gräber zu finden.“ Er blickt auf das Meer, das sich langsam über die Grabstelle legt. „Damals lag der Meeresspiegel tiefer als heute“, erklärt er, „deswegen liegen einige der Steingräber heute im Watt.“ Diese Steinsetzungen wurden aus Findlingen erreichtet, mit einer Deckplatte versehen und mit einem Erdhügel bedeckt, über eine lange Zeit bestatteten die Menschen hier ihre Verstorbenen. Waren es zu Beginn Waffen und Werkzeuge aus Feuerstein, die als Grabbeilagen mitgegeben wurden, handelt sich bei den Funden aus der Bronzezeit um zunehmend wertvollere Gaben wie Schwerter und Schmuck aus Metall. „Viele Funde, gerade die wissenschaftlich wertvollen, sind in den Archäologischen Sammlungen in Schloss Gottorf in Schleswig. Aber auch hier auf Sylt kann man einige Stücke besichtigen – zum Beispiel im Sylter Heimatmuseum und im Altfriesischen Haus, beides ist in Keitum.“

Leider arbeitet der Haustechniker Lange nicht als Gästeführer in Sachen Altertumskunde, aber er hat einen Tipp für interessierte Gäste: „Gehen Sie doch mal die HünenkulTour“, rät er, „denn der Sylter Heimatverein Sölring Föriining hat drei Routen konzipiert, auf denen Sie die Kultur der Hünengräber erleben können.“ Martin Lange blickt über das Wattenmeer. Auch weiter draußen sind mit dem Fernglas letzte Steinsetzungen zu erkennen. Das war einst festes Land – und es ging unter wie diese geheimnisvolle Kultur. „Und bitte nicht ins Watt laufen“, mahnt Martin Lange, „die Gräber da draußen sehen ohnehin genauso aus wie die hier vorn. Allein im Watt herumzulaufen ist gefährlich!“ Die Nordsee hat sie wieder zugedeckt, und die Toten von Archsum haben ihre Ruhe. Wie seit Tausend und Tausend Jahren schon.

Weitere Infos unter www.sylt.de

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